Auch beim Elterngeld wird gespart
Regierungskoalition streicht Sockelleistung für Bezieher von SGB II-Leistungen
Was in der letzten Legislatur noch als Teil nachhaltiger Familienpolitik gefeiert wurde, wird nun im Zuge der Bemühungen um die Konsolidierung des Bundeshaushaltes wieder eingeschränkt. Die Regierungskoalition hat sich gestern darauf verständigt, auch Kürzungen beim Elterngeld vorzunehmen. Damit ist in weite Ferne gerückt, was noch im Koalitionsvertrag vereinbart wurde: Die überfällige Einführung des Teilelterngeldes und die Ausweitung der Partnermonate. Das Elterngeld macht mit 4,5 Milliarden Euro etwa 70 Prozent des schmalen Budgets des Familienministeriums aus.
Nach den gestern getroffenen Entscheidungen soll bereits ab 1.240 Euro Nettoeinkommen die Lohnersatzquote von 67 auf 65 Prozent sinken. Davon betroffen sind rund ein Viertel der insgesamt 800 000 Elterngeldbezieher. Dies soll insgesamt rund 200 Mio. Euro einsparen.
Den Hauptteil der Einsparungen sollen jedoch die Bezieher von SGB II-Leistungen erbringen. Das Elterngeld wird bei Hartz IV-Empfängern künftig als Einkommen angerechnet werden. Betroffen sind rund 130.000 Familien, etwa 16 Prozent aller Elterngeldbezieher. Hier wird mit einem Einsparvolumen von 400 Mio. Euro gerechnet. Begründet wird die Streichung des Elterngeldes bei Transferempfängern damit, dass die bisher zusätzliche Elterngeldleistung in Höhe des Sockels von 300 Euro den Lohnabstand verringert habe. Eine seltsame Begründung, wenn man berücksichtigt, dass das Elterngeld progressiv mit dem Einkommen wächst und gerade den zeitweisen Erwerbsverzicht zugunsten der Kindererziehung ermöglichen soll.
Mit der Einführung des Elterngeldes war die Nichtanrechnung des Sockelbetrages bei Transferempfängern von den Familien- und Wohlfahrtsverbänden erkämpft worden, um weitergehende Nachteile für Familien mit Niedrig- und Transfereinkommen gegenüber des bis dahin geltenden Bundeserziehungsgeldes zu vermeiden. Obwohl Transfer- und Niedrigeinkommensbezieher auch damals schon durch die verkürzte Bezugsdauer des Elterngeldes Nachteile hinnehmen mussten, wird nun erneut in erster Linie bei armen Familien gespart.
Familienministerin Christina Schröder rechtfertigt die Einschnitte beim Elterngeld in ihrer Pressemitteilung mit der lapidaren Anmerkung, dass alle sparen müssten, auch die Familien. Ob tatsächlich alle gleichermaßen sparen müssen, ob die Maßnahmen sozial gerecht und mit Blick auf die Belastungsfähigkeit der unterschiedlichen Gruppen gestaltet wurden, wie es der DCV in seiner Pressemitteilung vom 4. Juni zur Kabinettsklausur gefordert hatte, und ob angesichts der bedrückend hohen Armutsquote von Kindern wirklich bei "Hartz IV-Familien" gespart werden muss, ist äußerst zweifelhaft. Noch im zu Beginn des Monats erschienen Familienreport 2010 ist zu lesen, dass Kindergeld, Elterngeld und Kinderzuschlag wirken: Die Leistungen erhöhen das Familieneinkommen und stützen damit auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Der bemerkenswert stabile Inlandskonsum wird in hohem Maße von den Familien getragen.
Man kann sicher darüber streiten, ob es sinnvoll ist, das als Lohnersatzleistung konzipierte Elterngeld um eine Sozialkomponente, den Sockelbetrag, zu ergänzen. Den unterschiedlichen Leistungscharakter hatte auch schon die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege in ihrer Stellungnahme zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) vom 4. August 2009 problematisiert. Doch diese konzeptionelle Trennung zu vollziehen, ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Sozialkomponente nicht mehr erforderlich ist. Dies ist angesichts der vom Bundesverfassungsgericht attestierten mangelnden Absicherung des psychosozialen Existenzminimums von Kindern derzeit nicht gegeben. Und zweitens müsste dieser Sockelbetrag dann für alle Bezieher des Elterngeldes entfallen. Die Kürzungsvorschläge sehen aber vor, dass der Sockelbetrag weiterhin für diejenigen Eltern bezahlt werden soll, die zwar nicht erwerbstätig waren aber aufgrund ihrer gesamten Einkommenssituation möglicherweise gar nicht auf den Sockelbetrag angewiesen sind. Wenn ausgerechnet Empfänger von SGB II-Leistungen kein Elterngeld mehr bekommen, mehrt das die Armut der ohnehin schon benachteiligten Kinder. Die geplante Streichung des Elterngeldes trifft arme Familien in der Phase des Familienaufbaus besonders hart.
Die Regierung ist gut beraten, die soziale Balance nicht aus dem Blick zu verlieren, denn während die Einsparungen im Sozialbereich schon sehr konkret sind, klingt der andere Teil der Einsparungen, der überwiegend von der Wirtschaft erbracht werden soll, noch sehr vage.
Markus Günter
8. Juni 2010, Infoservice 12/2010
Herausgeber:
Referat Familie und Generationen
Deutscher Caritasverband e.V.
Karlstraße 40, 79104 Freiburg
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